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Seminar für Griechische und Lateinische Philologie

Veranstaltungen WS 2005/6

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Pompeji: literarische Nachbeben einer antiken Katastrophe (1924)

Ulrich Eigler (ulrich.eigler@sglp.uzh.ch)
Di 16:15 – 18:00

"Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte" (Goethe, Italienische Reise, zum 13.3.1787).

Im Jahre 79 n.Chr. brach der Vesuv aus und verschüttete die Städte Herculaneum und Pompeji. Der jüngere Plinius berichtet zeitnah ausführlich in zwei Briefen über dieses Ereignis. Ihm ist es denn auch zu verdanken, dass die Erinnerung an die verschütteten Städte wach blieb und im 18. Jh. sofort nach der Entdeckung einzelner Überreste eine intensive Grabungstätigkeit einsetzte. Die damit verbundene Antiken-Euphorie wurde im deutschsprachigen, aber auch europäischen Raum im wesentlichen durch die Berichte von Johann Joachim Winckelmann ausgelöst. Ebenso stimulierte die zunehmende altertumswissenschaftliche Rekonstruktionstätigkeit auf europäischer Ebene eine breite literarische Reaktion. Reiseberichte, historische Romane, wie der von Bulwer-Lytton: The last days of Pompeji (1834), und zahlreiche Dichtungen, z.B. Schillers Gedicht Pompeji und Herkulaneum (1796), zeugen von der mythischen Wirksamkeit Pompejis, belegen aber auch das Bedürfnis, am Mythos weiterzuarbeiten. Vielfach wird gerade die bürgerliche Konstruktion "Pompeji" zum Hintergrund von Romangeschehen gewählt, wie dies etwa in der Erzählung Wilhelm Jensens Gradiva. Ein pompejianisches Phantasiestück (1905), die der Pompeji-begeisterte Sigmund Freud 1906 einer psychoanalytischen Interpretation gewürdigt hat, deutlich wird. Die traditionalistische, aber auch vielfach kritische Arbeit am bürgerlichen Mythos "Pompeji" setzt sich bis in die Gegenwart fort. Zu nennen sind hier besonders die Gedichte Günter Kunerts Pompeji I und II und die Kollage-Erzählung Wolfgang Helds 79 - Ein Brief des jüngeren Plinius.

Wir wollen in diesem Seminar von den modernen, insbesondere deutschsprachigen Ver- und Bearbeitungen des Themas "Pompeji" ausgehen und gleichsam den literarischen Event "Pompeji" beschreiben. Es geht dabei auch um die Frage, auf welche Weise ein antikes Ereignis präsent gehalten und in die europäische Erinnerungskultur integriert wird.

Zur vorbereitenden Lektüre sei empfohlen:
Plinius Secundus, Briefe 6, 16 und 6, 20; Edward Bulwer-Lytton, Die letzten Tage von Pompeji, zuletzt Zürich 2000 (Winkler-Weltliteratur, aber auch in vielen anderen Ausgaben); Sigmund Freud, Der Wahn und die Träume in W. Jensens 'Gradiva' mit dem Text der Erzählung von Wilhelm Jensen, Fischer Taschenbücher, 1992; Wolfgang Held, 79 - Ein Brief des jüngeren Plinius, Suhrkamp-Verlag 1979; Zur allgemeinen Einführung: Christiane Zintzen, Von Pompeji nach Troja, Wien 1998, WUV-Universitäts-Verlag; Dieter Bartetzko, "Pompeji", Untergang und Wiedergeburt, Holzhausen Verlag, Wien 2003.