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Seminar für Griechische und Lateinische Philologie

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Lateinische Kursorische Lektüre: Pseudo-Seneca, Octavia (323232)

Urs Müller (urs.mueller@sglp.uzh.ch)
Mo 14:00 – 15:45
RAG 105

Information für BA- und MA-Studierende: Der Leistungsnachweis wird durch MA „Mitarbeit“ erbracht und durch das erfolgreiche Bestehen werden 2 Kreditpunkte erworben.

Als eines der bizarrsten literarischen Erzeugnisse beschreibt Cecil Herington in seinem bahnbrechenden Aufsatz aus dem Jahr 1961 die römische Tragödie «Octavia», die uns im Corpus der senecanischen Tragödien überliefert ist. Und tatsächlich ist der Inhalt dieses Dramas äusserst ungewöhnlich: Nicht genug, dass die junge Claudia Octavia, Tochter des ermordeten Kaisers Claudius und Gattin des tyrannisch herrschenden Kaisers Nero, die Morde an ihrem Vater und ihrem Bruder miterleben musste, nun droht ihr auch noch wegen einer Geliebten ihres Mannes die Verstossung aus dem eigenen Palast. Als sich daraufhin das römische Volk, bei dem die Claudius-Tochter äusserst beliebt ist, zu einem randalierenden Aufstand gegen den Kaiser zusammenrottet, scheint ein Umsturz unabwendbar. Auch die Kaiserinmutter, von Nero unlängst grausam ermordet, erscheint als Erinys aus der Unterwelt und prophezeit ihrem Sohn eine düstere Zukunft.

Die Einzigartigkeit dieses Stückes, für das Herington so deutliche Worte gefunden hat, liegt auf der Hand: Nicht nur, dass mit Nero, Poppaea Sabina, Seneca und Agrippina einige der schillerndsten Figuren der römischen Geschichte ihren Weg ins Drama gefunden haben, ist die «Octavia» überhaupt die einzige vollständig erhaltene «Praetexta», i.e. eine römische Tragödie mit historischem Inhalt. Dass ihre Echtheit bereits von Petrarca angezweifelt worden ist, hat dazu geführt, dass sie lange neben den echten senecanischen Tragödien ein Nischendasein gefristet hat. Glücklicherweise konnten jedoch jüngst die beiden Kommentare von Rolando Ferri (2002) und Anthony Boyle (2008) das philologische Interesse an diesem einzigartigen Text neu wecken.

Ziel des Kurses ist es, die ganze Tragödie im Original zu lesen und dabei eine gewisse Routine beim Übersetzen lateinischer Texte zu gewinnen. Insofern eignet sich der Kurs besonders für Studierende, die sich auf die literarische Akzess-Prüfung im Bachelor (Lektürekompetenz Selbststudium) vorbereiten. Alle anderen Interessierten sind jedoch ebenso willkommen. Im Zentrum jeder Sitzung steht die Lektüre einer vorbereiteten Passage, bei der grammatikalische sowie übersetzungstechnische Fragen besprochen werden sollen. Fragen nach dem Metrum und der Interpretation soll jedoch ebenfalls Raum gegeben werden.

Vorbereitung
Nach einer Einführung beginnen wir bereits in der ersten Sitzung mit der Lektüre. Bitte bereiten sie Octavias Arie (Verse [Sen.] Oct. 1-33) vor.

Textausgabe
Wir arbeiten mit der Textausgabe von Otto Zwierlein und den oben erwähnten Kommentaren von Ferri und Boyle: Zwierlein, O. (ed.), L. Annaei Senecae Tragodiae. Incertorum auctorum Hercules [Oetaeus], Octavia. Oxford 1982.
Ferri, R., Octavia. A Play Attributed to Seneca. Edited with Introduction and Commentary. Cambridge 2002.
Boyle, A., Octavia. Attributed to Seneca. Edited with Introduction and Commentary. Oxford 2008.
Die Kommentare und eine Kopiervorlage des Textes werden im Seminarapparat zur Verfügung gestellt.